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Palliativstationen – warum wir sie brauchen und wie es geht.

Die Einrichtung von Palliativstationen in der stationären Krankenversorgung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der Wandel der familiären Strukturen bedingt, dass eine Versorgung und Betreuung von schwerstkranken und sterbenden Menschen im häuslichen Bereich nicht mehr gewährleistet ist. Die demographische Entwicklung wird den Bedarf noch verstärken. Diese Betreuung wird immer mehr durch Einrichtungen der Palliativpflege und der Hospizbewegung in abmulanter oder stationäre Weise übernommen.

Stand Juni 2022 gibt es 340 Palliativstationen in Krankenhäusern und 250 stationäre Erwachsenen Hospize in Deutschland.
2010 wurden erst 220 Palliativstationen von Krankenhäusern betrieben.

DHPV Deutscher Hospiz und Palliativverband, https://www.dhpv.de/zahlen_daten_fakten.html

Von der Hospizbewegung zur Palliativversorgung in den Krankenhäusern

Die Medizin hat sich bis weit in die Neuzeit durch begrenzte Kenntnisse und Möglichkeiten der Linderung von Krankheitsbeschwerden beschäftigt. Durch die Entwicklung in der Pharmazie und der Medizin im 19. und 20. Jahrhundert wurde zunehmend die heilende ( kurnative) Krankenversorgung möglich und rückte ins Zentrum der stationären Krankenversorgung. Auf Grund der vielen neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden konzentriert sich die Medizin im Krankenhaus auf die Heilung und die Lebensverlängerung. Sterben und Tod wird in erster Linie als Versagen ärztlicher Bemühungen und Anstrengungen gesehen und das Thema Sterben und Tod auch schlicht verdrängt. Mit der Hospizbewegung und der Entwicklung der Palliativmedizin seit den 80er Jahren setzt ein allmähliches Umdenken ein. Heute gehört zu einer Palliativversorgung ein multiprofessionelles Netzwerk mit ambulanten Palliativdiensten, Hospizen und Palliativstationen in den Krankenhäusern.

Gründer des ersten Sterbehospizes 1967 in London ist die Sozialarbeiterin und Krankenschwester Cicely Saunders. Die erste deutsche Palliativstation wurde 1983 in Köln eröffnet.

Begriffsdefinition Palliativmedizin

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert die Palliativmedizin wie folgt: Sie ist ein „Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patient und ihren Familien, die mit dem Problem konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen.“ Sie hilft „durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, gewissenhafte Einschätzung und Behandlung von Patienten bei Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.

Für die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizim e.V. (DGP) ist die „aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer progredienten (voranschreitenden) weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf kurnative Behandlung anspricht.“ Im Gegensatz zur reinen kurativen, also heilenden Behandlung, steht in der Palliativmedizin die Linderung der Beschwerden, die durch eine Erkrankung entstehen, im Vordergrund. Bis zum Ableben steht die ärztliche, psychosoziale und spirituelle Betreuung des Patienten und seines sozialen Umfeldes im Mittelpunkt der Behandlung.

Wikipedia: Palliation (Linderung, aus dem lat. Pallium (Mantel) bzw. palliare (mit dem Mantel umhüllen, verbergen) bezeichnet allgemein eine medizinische Massnahme, deren primäres Ziel nicht den Erhalt, die Genesung oder die Wiederherstellung der normalen Körperfunktionen, sondern deren bestmöglichen Anpassung an die gegebenen physiologischen Verhältnisse beinhaltet, ohne gegen die zugrundeliegende Erkrankung selbst zu wirken.

Tabuthema Tod und Sterben. Warum wir öfters übers Sterben reden sollten.

Das Thema Palliativpflege und alles was damit zu tun hat, wird nicht gerne thematisiert. Es ist kein Thema, worüber gerne gesprochen wird, denn es hat mit Tod und Sterben zu tun. Ein unbehagliches Gefühl entsteht sofort und man möchte das gar nicht gerne zu dicht an sich herankommen lassen. Wird man mit dem Tod oder dem Sterbeprozeß konfrontiert, z.B. im Freundes- und Bekanntenkreis oder ganz nah in der eigenen Familie, herrscht Unsicherheit und Hilflosigkeit.

Im Zuge der Recherche zu diesem Blogartikel bin ich auf einen Podcast des Deutschlandfunk Kultur (Link hinterlegt) mit dem oben genannten Titel gestoßen. Der deutsch-indische Philosoph Krishan Kops kritisiert die Tabuisierung vom Thema Tod und Sterben in Deutschland. Die Folge ist, das viele Menschen eine panische Angst vor dem Sterben haben. Am Beispiel der indischen Kultur beschreibt er, wie der Tod Teil des Alltags in Indien ist. Wir dagegen, schieben das Thema Tod gerne ins Fiktionale ab. Zahlreiche Leichen sind bei uns in Krimis zu finden, in Buchform und gerne auch auf dem Fernsehbildschirm, wenn die Nation vereint am Sonntag Abend auf den Sofa sitzt und Tatort schaut. (2020 verfolgten durchschnittlich 8.3 Millionen Zuschauer den Tatort. Quelle: Statist.com)

Wenn dann aber der Tod an uns persönlich herantritt, dann reagieren wir meist mit Hilflosigkeit, Unverständnis und Abweisung. Wir werden nur besser damit umgehen können und dann auch Angehörige begleiten können, wenn wir den Tod in unser Leben lassen. Sterben ist Realität – genauso wie die Geburt.

Mein ganz persönliches Erlebnis zum Umgang mit dem Tod in Indien
Die Beschreibungen von Krishan Kops haben mich sofort an diese persönliche Erfahrung erinnert, die ich auf einer Reise in Indien gemacht habe. Ich habe die Verbrennungstätten am Ganges besucht und wir sind von einem Priester direkt eingeladen worden doch gerne näher zu treten. Ich kann mich erinnern, dass mich das etwas überfordert hat. Die Ehrfurcht und der Respekt vor Toten machte es mir nicht leicht. Zwischen den Segnungen, die er an den brennenden Holzstapeln der Leichen durchführte, kam er zu uns und wir haben ganz entspannt über Gott und die Welt unterhalten. Es wurde gelacht, gescherzt und nur kurz durch die nächsten Gebetsrunde unterbrochen. Ist man in den Strassen von Varanasi unterwegs, entdeckt man überall in weiße Tücher eingeschlagene Leichname. Die Menschen bringen ihre verstorbenen Angehörigen mit jedem zur Verfügung stehenden Transportmittel zum Ganges. So werden die weiß umhüllten "Pakete" auf dem Gepäckträger des Fahrrads transportiert, auf dem Dachgepäckträger der Autos, auf den total überfüllten Gepäckträgern der Busse transportiert oder von 2 Personen auf einer Bambusbahre getragen. Der ganze Ritus wird in aller Öffentlichkeit und mit einer Selbstverständlichkeit und einer Ungezwungenheit durchgeführt, die mich damals sehr irritiert hat. Ein für mich sehr ungewohnte Umgangsweise mit dem Thema Tod und Sterben. Die Bilder der brennenden Totenfeuer am Ufer, die Menge an Menschen und die gesamte Atmosphäre hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. 

Die 3 Betreuungsaspekte der Palliativpflege plus 4. Healing Design

Zentrale Aufgabe der Palliativbetreuung ist eine ganzheitliche Leidensminderung durch moderne Methoden der Palliativmedizin und die persönlichen Wünsche der Sterbenden in den Mittelpunkt zu stellen.

  1. Der Medizinische Aspekt: Hauptziel ist die Erhaltung der Lebensqualität durch die Kontrolle von Symptomen der Erkrankung, durch lebensverlängernde und lindernde Therapie.
  2. Der Psychosoziale Aspekt: Betreuung und Begleitung geht weit über den emotionalen Beistand der Sterbenden und ihrer Angehörigen hinaus. Die Bedürfnisse nach einem selbstbestimmten Tagesablauf, dem Wunsch nach Ruhe oder Geselligkeit, therapeutische Massnahmen oder dem Lieblingsessen stehen an erster Stelle.
  3. Der spirituelle Aspekt: Beistand zu den Fragen von Sterbenden nach dem Sinn von Leben, Tod und Sterben und dem Danach.

Der 4. Aspekt ist die Wirksamkeit der Räume: Healing Design kann gestalterisch und atmosphärisch begleiten und unterstützen. Durch wissenschaftlich belegte Fakten, erhöht die Gestaltung das Wohlbefinden der Patienten und deren Angehöriger und Stress und Ängsten können gemindert werden. Siehe auch meinen Blogartikel zu diesem Thema: https://www.be-pechhold.de/blog/healing-design-vom-krankenhaus-zu-einem-haus-zum-gesunden/

„…der Innenarchitektur ist eine besondere Bedeutung zuzumessen.“

Die Fachkommission der Bauministerkonferenz beschreibt die Aufgabe der Innenarchitektur wie folgt: “ Das Ziel, der Station einen besonderes angenehmen Charakter zu verleihen.“ Der Ausstattungsstandard soll gehoben, Material und Farbgestaltung sind atmosphärisch ansprechend und harmonisch abgestimmt werden. Ziel ist es, eine belebende Umgebung zur psychischen Stabilisierung der Patienten und der Angehörigen zu schaffen. Kontakt zur Natur mit Ausblick ins Grüne und Zugang nach Aussen. Rückzug in die Privatheit und die Möglichkeit am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen.

Die Bauministerkonferenz (ARGEBAU) hat durch die Fachkommision Bau- und Kostenplanung, Netzwerk Krankenhausbau baulich-funktionale Anforderungen an die Gestaltung einer Palliativstation im Krankenhaus festgelegt. Neben einem definierten Raumprogramm ist der Innenarchitektur besonderer Bedeutung zuzumessen.
Link zur Planungshilfe der ARGEBAU: Planungshilfe

Raumprogramm und Anforderungen an eine Palliativstation

  • Barrierefreie Erreichbarkeit der Station und aller Räume
  • Station mit 8-10 Betten, zwischen 9 – 12qm mit Nasszelle
  • Zonierung nach Funktionen gegliedert um Ruhebereiche für die Patienten zu gewährleisten
  • Empfangsbereich mit einladendem Pflegestützpunkt
  • Einbett Zimmer
    • mit elektrisch verstellbarem Pflegebett
    • Pflegesessel ein wichtiges Element der aktivierenden Pflege
    • Besucherecke Sitzecke
    • Tisch mit Stühlen
    • bequemes, leicht bewegliches Mobiliar
    • Platz für persönlichen Gegenständen und Bildern
    • TV und Musikanlage
    • kleiner Kühlschrank
    • Tresor
    • Graphische Gestaltung
  • Übernachtungsmöglichkeit für Angehörige
  • Zugang zum Aussenbereich mit einem privaten Bereich und einem für die Allgemeinheit
  • Wohnzimmer: Aufenthaltsbereich zur Kommunikation mit Angehörigen und Pflegekräften
    • Sitzgruppen mit verschiedenen Sitzqualitäten von Sessel und Sofa, über eine Bank bis zum Stuhl an Tischen
    • Möglichkeiten Mahlzeiten einzunehmen
  • Patientenküche wo Angehörige etwas zubereiten können und besondere Essenswünsche erfüllt werden können
  • Therapieräume für Gestalt- und Musiktherapie
  • Raum der Stille
    • Andachtsraum
    • Verabschiedungen
    • Therapieraum (Musiktherapie, Lichtraum, Entspannungsraum
    • Gesprächsraum
  • Entspannungs- und Pflegebad
  • Technische Ausstattung: Versorgung mit technischen Gasen
  • Hygienischen Anforderung wie auf Allgemeinpflegestationen

Eine Umgebung mit hoher Aufenthaltsqualität, ohne die funktionalen Aspekte zu vernachlässigen, nimmt die Bedürfnisse der Patienten und deren Angehörige ernst und gibt die bestmögliche Unterstützung. Die Überschaubarkeit der Station, das besonders geschulte Pflegepersonal und die Ärzte und Therapeuten machen die individuelle Begleitung der unheilbar kranken Menschen möglich.

Eine Palliatistation im Krankenhaus Bethanien in Moers

Die Umstrukturierung durch den Neubau der Wahlleistungstation ( siehe Blogartikel: Ein Haus zum Gesunden. Link: https://www.be-pechhold.de/blog/ein-krankenhaus-healing-desing-evidencebaeseddesign-der-stiftung-bethanien-in-moers-ein-haus-zum-gesunden/ ) hat im Altbau des Hauses die Möglichkeit eröffnet, eine Palliativstation einzurichten. Über den Dächern der Klinik ist eine Station mit 12 Betten entstanden. Der Umbau ist im kleinen Rahmen geplant worden und mit wenigen Mitteln, Möbeln aus dem Bestand und geringen baulichen Eingriffen, ist eine Station entstanden, die eine hohe Aufenthaltsqualität hat. Neben der Einrichtung eines Wohnzimmer für den Aufenthalt der Patienten und Angehörigen, ist ein Therapieraum und ein Raum der Stilleeingerichtet worden. Die Patientenzimmer sind im hinteren Teil der Station mit dem zentralen Schwesterndienstzimmer gelegt und im vorderen Bereich sind die öffentlichen Bereiche wie das Wohnzimmer Station und die Therapie und Arztzimmer eingerichtet worden.

Farbe, Materialien und die graphische Gestaltung sind die Hauptelemente die der Station, die beruhigende Atmosphäre geben. Warme Gelbtöne in Kombination mit belebenden Orange- und Erdtönen lassen die sterile Atmosphäre eines Krankenhauses vergessen. Der Blick aus dem geschützten „Nest“ in die Weite wird durch Naturthemen von Tapeten, Materialen ins Innere geholt.

Individuelle Bildgestaltung – Halt und Perspektive

Das zentrale Gestaltungselement sind speziell für die Station entworfene Bilder, die individuell für jedes Zimmer gestaltet worden sind. Es sind 110 cm große kreisförmige Bilder, die den zentrale Farbpunkt in den Zimmern bilden. Eine ungewöhnliche Bilderform, die im ersten Moment untypisch und überraschen erscheint, sich dann aber harmonisch einfügt. Farben die leicht wirken, eher farbenfroh und belebend sind und in der Komposition Weite geben und dem Auge einen Halt geben. Kreisförmige Farbverläufe, mit großen und kleine Strukturen beschäftigen das Auge oder lassen auch einfach eine farbigen Fläche im Zimmer schweben. Die Kreisförmigen Bilder werden eben als Zeichen genutzt und lassen sich auf der Station an verschiedenen Punkten wiederfinden, die für die Patienten und die Besucher von Bedeutung sind.

Fazit

Die Palliativpflege übernimmt eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft. Sterbende werden ihren Bedürfnissen nach betreut und die Angehörigen werden in der schwierigen Zeit unterstützt. Neben der Vielzahl von Betreuern und Spezialisten spielt die Gestaltung der Räume eine bedeutende Rolle. Nutzen wir die Wirksamkeit der Räume um Menschen in dieser außergewöhnlichen Situation bestmöglich zu unterstützen.

Weiter Beispiele für die Möglichkeiten der wirksamen Raumgestaltung sind auf meiner Seite vorgestellt. Schaut gerne mal vorbei. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Gudula Be-Pechhold INNENarchitektin: https://www.be-pechhold.de/kontakt/