Kirche: NEU gedacht, Teil 3

Altarmobiliar: Konzeptentwicklung
Ich habe schon viele verschiedene Möbel entworfen, Empfangstheken, Küchen jegliche Art, Einbauschränke, Theken für Gastronomie und Arztpraxen, Sitzmöbel… aber noch keinen Altar. Mir gefallen Aufgaben, in die ich mich „Heranarbeiten“ muss: Recherche, Bedeutungen herausfinden, Aufgaben und Nutzungen verstehen. Welche Materialien sind möglich? Was ist die Geschichte dazu? Die wichtigste Grundlage: was soll ausgesagt werden, welche Botschaft soll gesendet werden und was soll das Möbel für einen Eindruck machen? Zum Altarmobliar gehören, neben dem Altar, dann auch noch ein Taufbecken, ein Ambo und einen Platz / Kerzenhalter für die Osterkerze dazu.
Entwurfsprozeß
Wie nähere ich mich dem Thema?
- Wie sieht der Raum aus, wo die Möbel stehen werden?
- Wie sehen die vorhandenen Möbel aus?
- Anforderungen an die Nutzung
- Recherche, Ideenfindung
- Entwurf
- Präsentation und Abstimmung
- Detailentwicklung und Ausführungsplanung
- Herstellung
- Montage
Diese Aussage kommt mit Sicherheit in jedem Projekt – direkt am Anfang.
Das ist eine meiner wichtigsten Erkenntnisse aus über 20 Jahren kreativer Arbeit.
„Denken Sie aber bitte an die Kosten!“
Nein, das mache ich nicht. Nicht an dieser Stelle.
Um Neues entwickeln zu können, muss ich mich im ersten Schritt von diesem Thema frei machen. Neues entsteht nicht in der Atmosphäre von Beschränkung oder Einschränkung!
Ich brauche einen freien Kopf um kreativ arbeiten zu können.
Ist-Zustand
Der Altar ist ein 6-Eck Tisch mit einem Außenmaß von 170cm, mit 7 Holzbeinen. Das Lesepult ist einfach aus Holzleisten zusammengesetzt und das Taufbecken besteht aus lamellenförmig aufgestellte Füssen, auf die die Schale aufgesetzt ist . Die silberne Taufschale ist eine Schenkung und eines der 3 wirklich erhaltenswerten, alten Elemente der Kirche mit der Kanzel und der Orgel. Die Oberflächen sind lackiert und wirken angestrichen und recht einfach in der Herstellung. Die Wirkung aller Elemente ist eher unruhig und keins wird als einzelnes Element wahrgenommen. Die Position ist mittig auf der Grundfläche des Altarraumes, aber nicht in Bezug zur Deckengestaltung aufgestellt.



Aufgabe und Nutzung eines Altars
Die EKD Evangelische Kirche in Deutschland schreibt unter dem Tischwort: Was ist ein Altar? Basiswissen und Glauben folgendes:
Wo Altäre stehen, erleben Menschen die Anwesenheit Gottes.
EKD, Evangelische Kirche in Deutschland
Der Altar ist Mittelpunkt einer Kirche, so dass sich alle Blicke auf ihn richten. Auf dem Altar oder dahinter befinden sich häufig Bilder, die wichtige Szenen aus der Bibel darstellen. Eine Darstellung des Kreuzes Christi befindet sich dabei im Mittelpunkt. Ausserdem liegt immer eine aufgeschlagene Bibel auf dem Altar, häufig ergänzt durch Kerzen, Blumenschmuck und ein Parament in den liturgischen Farben.
Die wichtigen Gebete und Segnungen werden am Altar gesprochen.
Am Altar wird das Abendmahl vorbereit und gefeiert.
Recherche
Das Wort Altar stammt vom lateinischen Begriff altare, das wiederum von altus (hoch) abgeleitet ist, und bedeutet sinngemäß „erhöhte Opferstätte“ und wurde früher auch mit adolere „als Opfer verbrennen“ in Verbindung gebracht. Ursprünglich war es eine Plattform oder ein Tisch, auf dem in vielen Kulturen Opfer dargebracht wurden, um Götter zu ehren, Dank auszudrücken oder Schutz und Segen zu erbitten. Die Idee eines Altars ist sehr alt und geht auf die frühen menschlichen Zivilisationen zurück. Bereits in der Steinzeit wurden einfache Opferplätze genutzt. Altäre entstanden unabhängig voneinander in verschiedenen Kulturen, z. B. in Mesopotamien, Ägypten, Griechenland und Indien, oft im Zusammenhang mit religiösen Riten und Opfergaben.
Die Bedeutung eines Altars variiert je nach Kultur und Religion. Im Christentum symbolisiert er den Tisch des Herrn und erinnert an das letzte Abendmahl. Hinduismus und Buddhismus sehen ihn als einen Ort der Meditation und Verehrung. Im Allgemeinen repräsentiert der Altar eine Verbindung zwischen dem Menschen und dem Göttlichen – ein heiliger Ort der Andacht und spirituellen Begegnung.
Wer sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchte findet hier mehr: Brockhaus Enzyklopädie – Artikel zum Thema Altar und religiöse Praktiken.Religionen der Welt von John Bowker – Einführung in Symbole und Rituale verschiedener Religionen.Lexikon der Religionen von Klaus Hock – Informationen zur Geschichte und Bedeutung von Altären in verschiedenen Kulturen.



Entwurf Altar und Altarmobilar
Wie entwirft man das zentrale Element in der Kirche? Mir hilft immer zu schauen, was es für Beispiele gibt. Also starte ich mit dem „Blättern“ im Internet. Ich skizziere ein paar Grundformen auf.
Dann versuche ich herauszufinden, was genau diese Kirche besonders macht? Was gibt es hier, was macht diesen Ort einzigartig, was macht ihn aus?
Die einladende Christusstatue und der Grundstein
Und da gibt es etwas: Eine Besonderheit dieser Kirche ist die Christus Statue des auferstandenen Christus. Es ist eine Kopie des Werkes des Bildhauers Bertel Thorvaldsen (1768 – 1844). Das Original steht in der Frauenkirche in Kopenhagen. Das revolutionäre zu dieser Zeit war eine Darstellung als einladender Christus und nicht als Gekreuzigter. Das sonst übliche Kreuz ist nicht zu finden. Die Statue steht auf dem ehemaligen Grundstein der Kirche von 1874 mit der biblischen Inschrift aus 1. Korinther 3,11.

Der Grundstein von 1874
„Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“
1.KORINTHER 3,11
Das sind zwei Besonderheiten, die diese Kirche von anderen unterscheiden und genau solche Ansätze sind die besten Grundlagen für einen individuellen Entwurf.
Gestaltung
Ein Möbel ist nicht nur ein solitäres Element, sondern immer auch Bestandteil des Ganzen. Und deshalb ist die Gestaltungsarbeit immer in Bezug auf den gesamten Raum zu sehen. Denn am Ende nimmt der Betrachter die Gesamtheit wahr und das ist dann der erste Eindruck, der ein Gefühl für den Raum entstehen lässt.
Als Bestandteil des Ganzen gelten auch für diese Möbel die Zielsetzung und die Leitlinien, die wir als Gestaltungsgrundlage für die Neugestaltung der Kirche festgelegt haben.
Die Zielsetzung:
Wir schaffen einen einladenden Raum, der in der Nutzung einen große Bandbreite von Möglichkeiten zulässt, ohne den sakralen Charakter des Gotteshauses zu verlieren. Wir bringen die Technik auf den aktuellen Stand und setzen alle Maßnahmen möglichst ohne bauliche Eingriffe um.
Die Leitlinien:
- Die Kirche ist weiterhin klar als Gotteshaus wahrnehmbar und behält diese Funktionen.
- Die historischen Elemente der Kanzel und die Orgel bleiben erhalten.
- Die Farbgestaltung der Wände, Decken und der Holzeinbauten werden im Grundsatz beibehalten.
- Alle neue eingebauten Elemente haben eine gemeinsame Material- und Formensprache. Die Aussage ist schlicht, zeitgemäß, funktional.
- Alle neuen Elemente setzten sich deutlich von der vorhandenen Architektur mit den historischen Gestaltungselementen ab, sind als eigenständige Einbauten abzulesen.
- Jedes Element hat einen schlichten, skulpturalen Charakter.
- Das gesamte Erscheinungsbild ist hell, freundlich und hat eine einladende Atmosphäre.
- Die neuen technischen Einbauten sind sichtbar und als zeitgemäße Technik klar ablesbar. Sie setzen sich als modernes Element von der vorhandenen Architektur ab.
- Die neue Gestaltung der Kirche inspiriert zu neuen Nutzungen, Aktivitäten und fördert die Gemeinschaft.
Der Altar



Ich habe die Ausmaße eines klassischen Tisches von 100 x 200 cm gewählt. Diese Größe ist proportional dem Raum angemessen. Eine Höhe von 95cm ermöglicht eine gute Nutzbarkeit im Stehen. Das „fehlende“ Kreuz findet sich in als Fuge wieder und gliedert die Ansichtsflächen. Es umfasst den kompletten Kubus: das Kreuz hält zusammen, verbindet, gibt Halt und umschließt den Altar.
Durch diesen Einschnitt entstehen 4 Segmente die nach dem Goldenen Schnitt, oder auch „die göttliche Proportion“ genannt wird, aufgeteilt sind. Der Goldene Schnitt ist ein Verhältnis zwischen 2 Größen, das besonders schön und harmonisch empfunden wird. Es ist bereits seid der Antike bekannt, wird in der Kunst und Architektur angewendet und kommt in der Natur vor.




Der Altar steht im Mittelpunkt der Kirche und aus diesem Grund möchte ich die Aufmerksamkeit direkt auf den Altarraum und den Altar lenken. Da hilft Licht. Das Kreuz ist hinterleuchtet und der Text der Inschrift, auf die der Grundstein hinweist, ist jetzt mit dem „Neuen“ verbunden. Passend dazu sind das Rednerpult und die Osterkerze entworfen.




Das Taufbecken
Eine besondere Herausforderung war die Gestaltung des Taufbeckens. Die Kirche ist im Besitz einer historischen Silberschale, die das „Taufbecken“ bildet. Die Schale hat nur einen Durchmesser von 32cm. Ein Ziel meiner Gesamtgestaltung war die einzelnen Elemente, die sich im Altarraum befinden, zu sortieren und die Kleinteiligkeit aufzuheben. Klare und eher skulptural flächige Elemente zu kreieren. Ausserdem ist die Schale sehr klein und würde im Raum einfach verloren gehen. Aus diesem Grund erhält sie einen ganz besonderen Platz. Ein Segment des Altars lässt sich wie eine Schublade öffnen und nimmt die Taufschlale auf. Die Taufgemeinde versammelt sich um den Altar und die Taufzeremonie findet direkt am zentralen Element der Kirche statt. Auf den ersten Blick nicht wahrnehmbar und eine Überraschung, wenn sich das Segment des Altars öffnet. Ein eingefrästes Symbol für die Taufe auf der Schublade, weißt auf den Inhalt hin.


Material und Ausführung
Das Oberflächenmaterial ist ein Dickschicht-Eichenfurnier natur. Die Oberfläche ist matt alblackiert, um im Gebrauch nicht so empfindlich zu sein. Alle Kanten sind auf Gehrung gearbeitet und der Auszug für die Taufschale hat verdeckte Führungen und läuft, mit auf Gehrung gearbeiteter Kanter der Front in den Korpus ein. Es ist so sauber gearbeitet, dass das Schubladenelement fast nicht zu erkennen ist. Das Kreuz ist ein mit spezieller Streufolie belegtes Plexiglas und springt 2,5cm nach Innen. Durch den Rücksprung werden die Segmente noch etwas stärker betont. So ein Symbol gibt es auch noch auf der Front des Ambo. Sie sind eingefräst und wirken nur durch Schattenbildung. Eine handwerklich außergewöhnliche und hochwertige Arbeit der Tischlerei Clemens aus Wuppertal.

Wie wir zusammenarbeiten können – ich hätte Lust auf mehr!
Kontaktaufnahme
Das Thema Kirchengestaltung habe mich noch einmal einen ganz anderen und sehr spannenden Themenbereich kenengelernt. Eine tolle Aufgabe. Ich möchte sehr gerne weitere Projekte zum Thema Kirchengestaltungen mit meiner Expertise und Erfahrungen unterstützen und damit zum gemeinsamen Erfolg beitragen.

Kontakt, unverbindlich und um ins Gespräch zu kommen – einfach eine kurze Mail schreiben oder direkt anrufen. Alle Kontaktdaten unter: Gudula Be-Pechhold INNENarchitektin
Ich freue mich auf unser Kennenlernen.
Weitere Informationen zum Projekt
Eine detaillierte Projektbeschreibung und Darstellung der Vorgehensweise für dieses Projekt habe ich in meinem Blogartikel Kirche: NEU gedacht und dem zweiten Teil: Eröffnet – Kirche NEU gedacht vorgestellt. Das gibt eine Idee, wie es gehen kann, worauf es ankommt und was alles zu berücksichtigen ist.
Was ich sonst noch so tue, welche anderen Bereiche ich gestalte und was SoulArt ist, ist auf meiner Homepage zu finden.
P.S.: Was denkt Ihr über dieses Thema? Welche Bedeutung hat der Altar für Euch? Ich freue mich über einen Kommentar von Euch.