Abschied nehmen im Seniorenheim, auf der Palliativstation oder im Hospiz – Rituale in der Gemeinschaft
Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er Spuren – in den Herzen der Angehörigen, aber auch in der Gemeinschaft, in der er zuletzt gelebt hat. In Seniorenheimen, wo Menschen oft viele Jahre miteinander verbringen, ist der Tod ein ständiger Begleiter. Doch wie gelingt ein würdevoller Abschied? Welche Rituale helfen? Und was macht es mit den Menschen, die bleiben? Und die innenarchitektonische Antwort auf die Frage der Sichtbarkeit und des Erinnerns.
„Der Tod ist nicht das Ende, nicht die Vergänglichkeit. Der Tod ist nur ein weiterer Anfang.“ – Unbekannt
Ein Ort des Lebens und des Abschieds

Ein Seniorenheim ist mehr als ein Ort der Pflege. Es ist ein Zuhause. Hier entstehen Freundschaften, Routinen, kleine Rituale des Alltags. Wenn ein Bewohner stirbt, reißt das eine Lücke – nicht nur im Zimmer, sondern auch im Herzen der Gemeinschaft. Der Tod ist hier kein Tabu, sondern Teil des Lebens. Und doch bleibt er jedes Mal aufs Neue berührend.
Nach dem die Gestaltung des Seniorenstifts abgeschlossen war, kam der Leiter des Hauses auf mich zu und hat mir die Aufgabe geben, mir Gedanken zum Thema Abschied nehmen zu machen. Er hat noch einer Möglichkeit gesucht, ein kleines Gedenken stattfinden zu lassen, einen Ort und eine Möglichkeit zu haben, Abschied von Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern nehmen zu können. Das sollte sowohl eine Möglichkeit für die BewohnerInnen sein und auch für die Mitarbeiter.
Was der Tod für die Bewohner bedeutet
Für viele Bewohner ist der Tod eines Mitbewohners ein Spiegel. „Bin ich der Nächste?“ Diese Frage bleibt oft unausgesprochen, schwingt aber mit. Manche ziehen sich zurück, andere suchen das Gespräch. Wieder andere reagieren mit erstaunlicher Gelassenheit – sie haben gelernt, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren.
Besonders schwer ist es, wenn eine enge Freundschaft bestand. Dann fließen Tränen, dann bleibt ein Stuhl im Speisesaal leer, der schmerzt. In solchen Momenten ist es wichtig, Raum für Trauer zu geben – durch Gespräche, durch Rituale, durch das einfache Dasein.
Mitarbeitende zwischen Nähe und Professionalität
Auch für Pflegekräfte ist der Tod eines Bewohners keine Routine. Natürlich gehört er zum Beruf – aber das macht es nicht leichter. Viele Mitarbeitende bauen über die Jahre eine enge Beziehung zu den Bewohnern auf. Sie kennen ihre Geschichten, ihre Eigenheiten, ihre Sorgen. Wenn ein Bewohner stirbt, ist das oft ein stiller Schmerz. Manche Mitarbeitende verabschieden sich mit einem letzten Gruß am Bett. Andere richten das Zimmer liebevoll her, zünden eine Kerze an. In Teamsitzungen wird über das Erlebte gesprochen, manchmal fließen Tränen. Supervision und kollegiale Gespräche helfen, mit der eigenen Trauer umzugehen.
Das Abschiedsbild – ein stilles Zeichen der Erinnerung
Eine innenarchitektonische Antwort auf die Frage der Sichtbarkeit des Sterbens und des Erinnerns.

Die Aufgabe
Vor einigen Jahren habe ich nach 4 Jahren Umbauarbeit in 2 Abschnitten Neugestaltung eines Seniorenstifts der Stiftung Bethanien in Moers abgeschlossen. Es war eine intensive Zusammenarbeit mit der Leitung des Hauses und es hat sich ein vertrauensvolles Miteinander entwickelt. Im Hause gibt es eine sehr engagierte Hospizgruppe, die ebenfalls miteingebunden wurde. Ganz zum Schluss wurde dann die Bitte an mich herangetragen, mir Gedanken zum Thema Abschied nehmen von verstorbenen Bewohnern zu machen. Es sollte eine Möglichkeit geben, die anderen Bewohner über den Tod zu informieren, den Verstorbenen zu wertschätzen und einen Ort für den Abschied anzubieten.
Es sollte etwas sein, das sichtbar ist, aber die Freiheit lässt über die Intensität der Anteilnahme selbst zu entscheiden. Ein Ort, der einen festen Platz im Hause hat und sowohl die Mitbewohner, die Angehörigen, die Mitarbeiter und die Besucher gleichermaßen anspricht. Es sollte nicht nur einen Ort für das gesamte Haus geben, sondern jede Wohngruppen sollte einen eigenen Ort der Trauer erhalten.
Vision
STiftung Bethanien, Vision
Die Stiftung Bethanien Moers steht mit Kontinuität für eine christlich geprägte, interkulturelle und unabhängige Einrichtung.
Im Sinne des Leitbildes: Miteinander Würde Menschlichkeit
dient sie der individuellen Beratung, Versorgung, Betreuung und Begleitung von Menschen in allen Lebensphasen. Auf ihrem stabilen Fundament entwickelt die Stiftung ihr vielfältiges Angebot im Gesundheitswesen weiter und sichert damit auch Arbeitsplätze in der Region.
Das Abschiedsbild
Aus Platzgründen und den um Bewegungsflächen frei zu halten, kam nur etwas wandhängendes in Frage. Ein Bild. Schnell hatte ich für mich das Bild eines Altars im Kopf. Eine Bildfläche die mit Elemten in Verbindung gebracht wird, die wir mit Respekt und einer besonderen Atmosphäre verbindenFür mich war es allerdings auch sehr wichtig, daß das Bild nur im Falle eines Sterbefralls präsent sein sollte. Entstanden ist dann eine Bild, was erst durch das Aufklappen der Flügel als Abschiedsbild zu erkenne ist.
Der Hospizdienst hat die Aufgabe gerne übernommen. Wenn ein Bewohner stirbt, wird das Bild aufgeklappt. Eine LED-Kerze wird entzündet, eine frische Blume in die Vase gestellt. Ein Briefbogen wird mit dem Namen des Verstorbenen, dem Todestag und einem persönlichen Spruch, der an den Menschen erinnert aufgehangen.


Dieses Ritual hat sich bewährt und ist fester Bestandteil des Abschiedsnehmens geworden. Bewohner bleiben stehen, lesen den Namen, erinnern sich an gemeinsame Zeit. Mitarbeitende halten kurz inne, bevor sie weitergehen. Es ist ein Moment der Verbundenheit – über den Tod hinaus.




Jedes Abschiedsbild hat ein eigenes Motiv. Es sinde Landschaften, die eine Perspektive geben. Die Gedanken bekommen Raum und können sich in der Weite, in Erinneringen verlieren.
Warum ist Abschied nehmen so wichtig?
Abschied nehmen hilft, den Tod zu begreifen. Es macht ihn sichtbar – und damit auch die Trauer. Rituale, wie das Abschiedsbild, Gedenkfeiern oder stille Minuten im Gemeinschaftsraum geben Halt. Sie zeigen: Du bist nicht allein mit deinem Schmerz. Wir erinnern uns gemeinsam.
„Abschied ist die Geburt der Erinnerung.“ – Salvador Dalí
In vielen Heimen gibt es inzwischen feste Abläufe: Ein letzter Weg durch das Haus, begleitet von Mitarbeitenden und Bewohnern. Ein Gedenktisch mit Foto und Kerze. Ein Eintrag im Erinnerungsbuch. Diese Gesten sind mehr als Symbolik – sie sind Ausdruck von Respekt, von Menschlichkeit, von Liebe.
Ein bewusster Abschied hilft den Hinterbliebenen, den Tod zu begreifen, emotionale Last zu verarbeiten und einen gesunden Trauerprozess zu beginnen. Er schafft Raum für Dankbarkeit, Versöhnung und inneren Frieden.
Hier sind die wichtigsten Gründe, warum ein bewusster Abschied so bedeutsam ist:
Verstehen und Annehmen des Todes
- Realitätsbezug: Den Verstorbenen noch einmal zu sehen oder zu berühren, hilft, den Tod als Tatsache zu begreifen – ein erster Schritt im Trauerprozess.
- Vermeidung von Verdrängung: Wer bewusst Abschied nimmt, läuft weniger Gefahr, den Verlust zu verdrängen oder in einer „Schockstarre“ zu verharren.
Emotionale Entlastung
- Unausgesprochenes klären: Ein letzter Moment kann genutzt werden, um sich zu bedanken, zu vergeben oder einfach still beieinander zu sein – das kann Schuldgefühle lindern.
- Rituale geben Halt: Kerzen, Musik, Gebete oder persönliche Gesten strukturieren den Abschied und geben emotionale Sicherheit.
Orientierung und Struktur
- Rituale schaffen Ordnung: In einer Zeit des Chaos helfen Rituale, den Übergang zu gestalten und Orientierung zu geben.
- Gemeinschaft erleben: Gemeinsame Abschiede mit Familie, Freunden oder dem Hospizteam stärken das Gefühl, nicht allein zu sein.
Beginn der Trauerarbeit
- Trauer darf Raum bekommen: Ein bewusster Abschied öffnet die Tür zur Trauer – und damit zur Heilung.
- Erinnerung bewahren: Rituale wie Gedenkbücher, Erinnerungskisten oder Gedenkfeiern helfen, den Verstorbenen im Herzen weiterleben zu lassen.
Spirituelle und existenzielle Bedeutung
- Sinngebung: Der Abschied kann helfen, dem Tod und dem eigenen Leben eine tiefere Bedeutung zu geben.
- Loslassen lernen: In der bewussten Begegnung mit dem Tod liegt auch die Chance, loszulassen – in Liebe und Frieden.
Literatur zum Thema: Hospiz Verlag, Ein letzter Gruß – Abschiedsrituale
Tabuthema Tod und Sterben: Warum wir öfter darüber sprechen sollten. Mit dieser Frage ich mich ausfüherlich in meinem Blogartikel zum Thema Palliativstationen auseinander gesetzt.
Zum Blogartikel bitte den Link TAbuthema Tod und Sterben anklicken.
Abschiedsrituale
Abschiedsrituale im Hospiz sind ein wichtiger Bestandteil des gemeinsamen Weges, den Sterbende mit ihren Angehörigen, den Mitarbeitern und Seelsorgern gehen. Sie helfen den Übergang vom Leben zum Tod bewusst und würdevoll zu gestalten. Sie bieten Trost, Orientierung und Raum für persönliche und spirituelle Bedürfnisse. Im Folgenden ein paar Beispiele:
- Kerze vor dem Zimmer Eine brennende Kerze wird vor das Zimmer des Verstorbenen gestellt – als Zeichen der Erinnerung und des Respekts. Oft begleitet von einer Blume oder einem Foto.
- Abschied am Bett Angehörige und Mitarbeitende nehmen sich Zeit, um sich in Ruhe zu verabschieden. Musik, Gebete oder persönliche Worte können eingebunden werden.
- Gedenkbuch Der Name des Verstorbenen wird mit Datum eingetragen. Angehörige und Mitarbeitende können persönliche Worte oder Erinnerungen hinzufügen.
- Fenster öffnen Nach dem Tod wird symbolisch ein Fenster geöffnet – als Zeichen für das „Loslassen“ der Seele.
- Segnung oder Gebet Eine religiöse oder spirituelle Zeremonie wird durchgeführt – je nach Wunsch des Verstorbenen oder der Angehörigen.
- Musikritual Lieblingslieder des Verstorbenen werden gespielt – entweder am Bett oder bei einer kleinen Gedenkfeier.
- Erinnerungskiste Persönliche Gegenstände, Fotos oder Briefe werden in einer Kiste gesammelt – als bleibende Erinnerung für die Familie.
- Gedenkbaum oder Gedenkwand Namen, Fotos oder Symbole der Verstorbenen werden an einem Baum oder einer Wand angebracht – ein Ort der Erinnerung für alle.
- Lichtritual Zu bestimmten Zeiten (z. B. Jahresende) werden Kerzen für alle Verstorbenen entzündet – oft begleitet von Musik oder Lesungen.
- Schmetterlingsritual (Kinderhospiz) Kinder bemalen Schmetterlinge, die später aufgehängt oder freigelassen werden – als Symbol für Verwandlung und Loslassen.
- Trauercafé oder Gedenkspaziergang Angehörige werden eingeladen, gemeinsam zu erinnern, zu sprechen und zu trauern – in geschütztem Rahmen.
- Dankesritual für Mitarbeitende Das Team schreibt Dankeskarten oder gestaltet ein gemeinsames Erinnerungsbild – als Ausdruck von Wertschätzung und Abschied.
Fazit: Der Tod gehört dazu – und das Leben auch
Abschiednehmen im Seniorenheim ist eine Herausforderung – aber auch eine Chance. Eine Chance, dem Leben und dem Tod mit Würde zu begegnen. Eine Chance, Gemeinschaft zu erleben, auch im Schmerz. Und eine Chance, Rituale zu schaffen, die trösten und verbinden.
Das Abschiedsbild ist für mich ein kleiner Beitrag dazu. Es sagt: Wir sehen dich. Wir erinnern uns. Und wir lassen dich in Liebe gehen.





Diese Bilder sind vom Künstler Josi Elstner als Auftragswerk gemalt worden. Öl auf Malfächen.
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